Exoskelett als Vaterersatz
Ingeborg Harms berichtet in der Frankfurter Allgemeinen von heute ausführlich über eine Tagung in Wien zum Thema »Vaterlosigkeit«. Dort wurde die psychoanatomische These aufgestellt, die Männer der 68er-Generation würden nicht durch ein wirbeltiertypisches Innenskelett aufrechtgehalten, sondern durch ein erworbenes Außenskelett:
Wer aus dem Zweiten Weltkrieg zurückkehrte, war nicht mehr Teil einer männlichen Gemeinschaft, er wurde wahrgenommen als Teil einer versprengten Vatergeneration, die stärker denn je ungeliebt war. Dennoch kam die Wiener Tagung zu dem überraschenden Schluss, dass die Söhne, schon als sie 1968 den Aufstand probten, unter einer unstillbaren Vatersehnsucht litten, die heute zu einer schweren Krise geworden ist. Schwache, gebrochene oder gar nicht vorhandene Väter hatten in der Erziehung den Müttern das Feld überlassen, die einem Zuviel an Empathie ein Zuwenig an Sinnangeboten entgegensetzten, wie es Heinz Bude ausdrückte. 1968 war für den Kasseler Soziologen eine Revolte für, nicht gegen die Väter. [...]
Ein weiches Innenleben führe zur Demonstration äußerer Stärke, ergänzte der Historiker Jürgen Reulecke [...]. Das Berufsleben der Nachkriegsgeneration nannte Reulecke ihr "Exoskelett". Mit der Pensionierung breche dann alles zusammen: Was von den Achtundsechzigern bleibt, ist eine "wehleidige und hochgradig suizidgefährdete" Rentnergeneration.
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