Lancierte Akten
Es war keine gute Idee Günther Oettingers, seinen Amtsvorgänger Hans Filbinger im nachhinein zum »Gegner des Nationalsozialismus« zu erklären. Aber Oettinger ist ja auch sonst nicht für gute Ideen bekannt, und sein Rücktritt ließe sich mindestens so leicht verschmerzen wie der Filbingers. Den hatte seinerzeit (was immer noch nicht hinreichend bekannt zu sein scheint) das Ministerium für Staatssicherheit ausgelöst. Dessen vormalige Mitarbeiter Günter Bohnsack und Herbert Brehmer schrieben schon 1992:
Unsere spektakulärsten Enthüllungskampagnen in den sechziger und siebziger Jahren aber richteten sich gegen [...] Kiesinger, [...] sowie gegen Filbinger und [...] Lübke. Als das Material gefunden war, wurden die Aktionen ohne große Diskussion vorbereitet. Sie paßten unseres Erachtens in die politische Landschaft, und die SED-Führung entschied nach Nützlichkeitserwägungen, wann welche Fakten oder Fälschungen an die Öffentlichkeit getragen wurden.Aus Sicht der HVA-Offiziere war Rolf Hochhuth nur einer der nützlichen Idioten ihrer Desinformationskampagnen. Dem ehemaligen Securitate-General Ion Mihai Pacepa zufolge war bereits das Lesedrama Der Stellvertreter unter Beteiligung des KGB entstanden. »Es steht zu hoffen, daß die jüngsten Enthüllungen eine Debatte nach sich ziehen werden«, schrieb Richard Wagner über diese Zusammenhänge in der NZZ vom 24. Februar 2007. Bisher ist sie ausgeblieben.
Im Fall Filbinger genügte es, die Akten zu lancieren, aus denen hervorging, daß er als Marinerichter an drei Todesurteilen beteiligt war. 1978 trat er im Ergebnis einer bundesweiten Auseinandersetzung zurück. (Auftrag: Irreführung. Wie die Stasi Politik im Westen machte, Hamburg 1992, S. 59)
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