11 Mai 2007

Schizophrenie

Psychiater und Psychologen beklagen heute den lässigen Umgang mit dem Begriff der Schizophrenie. Eugen Bleuler hatte 1911 (bzw. schon 1910 in einem Aufsatz) eine Gruppe von Krankheiten als »Schizophrenien« bezeichnet, um von Emil Kraepelins Ausdruck »dementia praecox« wegzukommen. Man dürfe, sagen die Psychiater, die Schizophrenie — wörtlich: Gemütsspaltung — nicht nach dem Muster von Dr. Jekyll und Mr. Hyde als Verdoppelung der Persönlichkeit verstehen.

Jetzt hat Kieran McNally in einem Aufsatz im Journal of the History of the Behavioral Sciences den Ursprung des losen Umgangs mit dem Begriff aufgeklärt: Der erste, der so sprach und sogar die Doppelfigur von Robert Lous Stevenson heranzog, war ein wohlinformierter amerikanischer Psychiater. Wie die Washington Post am 16. Julie 1916 berichtete, war Granville Stanley Hall, der 1909 Freud und Jung zu Vorträgen an seine Universität geholt hatte, angesichts des Krieges in Europa hin- und hergerissen:
“Schizophrenia,” Dr. Hall told me, “is a term much used by psychologists to describe a divided mind, of which the Jekyll-Hyde personality is one type. I was made in Germany, and everything I am I owe to German scholarship, for I spent some of my student days there. At the same time I deplore the militarist spirit. It is in trying to reconcile these conflicting tendencies in my self that I have developed schizophrenia or split soul.”
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde den Psychiatern selbst langsam klar, daß die Schizophrenie — Krankheit F 20 im ICD-10 — keine Fall von multipler Persönlichkeit ist und Jekyll-Hyde kein Schizophrener gewesen sein konnte.