22 November 2005

Vor der Kamera sprach's sich anders

Während das Fernsehen bei der Mehrzahl seiner Zuschauer längst keine erzieherische Wirkung mehr erzielen kann, übt die schiere Präsenz einer Kamera auf manche Leute möglicherweise noch einen disziplinierenden Effekt aus.

In der für Focus TV produzierten Reportage »Im Dunkel der Macht. Mythos und Wahrheit über die Illuminaten«, die gestern abend bei SAT 1 gezeigt wurde, kam auch ein als Bestsellerautor bezeichneter »Experte« namens Andreas von Rétyi ausgiebig zu Wort. Rétyi soll in früheren Jahren leitender Redakteur der Zeitschrift UFO-Kurier gewesen sein. Zu seinen jüngeren Veröffentlichungen zählt das Buch Die unsichtbare Macht. Hinter den Kulissen der Geheimgesellschaften. Hier lüftet Rétyi laut Verlagswerbung den »Schleier einer geheimen Gruppe, die weder Grenzen noch Gesetze kennt und alle Aspekte der Politik und Wirtschaft kontrolliert«. Der im gleichen Verlag erschienene Band Macht und Geheimnis der Illuminaten widmet sich gleichfalls »einer weltumspannenden Verschwörung«: der Geschichte des 1776 vom Ingolstädter Philosophen Adam Weishaupt gegründeten Geheimordens. Dieser stellte, wie Hermann Schüttler in der Sendung hervorhob, seine Aktivitäten 1788 wieder ein. »Die Spur führt in die USA. Dort wurden die Illuminaten wiedergeboren«, versichert hingegen Rétyi. In Vorträgen schlägt er gerne den Bogen von Weishaupt zu George W. Bush.

Vor der Kamera mochte er allerdings die alten, gewöhnlich antisemitisch grundierten Geschichten nicht noch einmal aufwärmen. Obwohl ausdrücklich als »Verschwörungstheoretiker« eingeführt, kam er nicht einmal auf die Familie Rothschild zu sprechen. Fragt sich nur, ob hier schon im Kopf oder erst durch die Cutterin geschnitten wurde.