28 Juli 2008

Pseudoalliteration

Was für ein Buchtitel: The Wisdom of Whores. Er wirkt geschrieben im Englischen besser als im Deutschen, weil in der Schreibung eine Alliteration zu sehen ist, die man nicht hört: Die Weisheit der Huren. Dabei sind die vorkommenden Substantive etymologisch miteinander verwandt, im einen wie im anderen Fall wobei dieser zweite interessanter ist: Die Wörter »Caritas«, »Charity«, »Hure« und »Kamasutra« sollen alle auf eine gemeinsame indoeuropäische Wurzel k- zurückgehen.

Warum aber Elizabeth Pisani ihr Buch über die Verbreitung, Prävention und Erforschung von AIDS The Wisdom of Whores genannt hat, weiß ich nicht. Einer am 1. Mai unter dem Titel »Sex and Sensibility« im Economist erschienenen Rezension zufolge ist es ein lesenswertes Buch:
Most welcome is her desire to challenge taboos. She thinks that a widespread emphasis on patients' rights may have done unintended harm. Drumming into patients' minds the “right” to keep their infected status private—even from sexual partners—may have encouraged stigma around the disease and thus its spread. In countries such as Cuba, where there is more compulsion in getting people tested for HIV, the epidemic has been contained.

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26 Juli 2008

Der Unterschied zwischen Optimismus und Idealismus

Susan Neiman ist die Direktorin des Einstein Forums, welches so weltberühmt zu sein scheint, daß die New York Times nicht hinzuzufügen braucht, wo dieses Forum ohne Bindestrich angesiedelt ist, nämlich in Potsdam, einer recht kleinen Großstadt gerade noch in Reichweite der Berliner S-Bahn. Susan Neiman ist aber nicht nur Direktorin des Einstein Forums und eine begeisternde Vortragende, sondern auch eine Vermittlerin zwischen diversen Welten, darunter den zwei Seiten des Atlantiks. In dieser Funktion berichtet sie heute in der New York Times über den Besuch Barack Obamas in Berlin:
Mr. Obama makes Europeans uncomfortable. [...] The mocking undertone that accompanies most descriptions of Mr. Obama in the European news media signifies a trans-Atlantic divide. George W. Bush made matters far worse than they ever were, but the neoconservatives who advised him were right about one thing: Europe is gripped by a world-weariness that resists American dreams.
Wenn man nicht gerade wieder davon gehört hätte, in welchem Ausmaß die Auswirkungen des amerikanische Idealismus das Leben der Menschen im Irak verschlechtert haben, dann könnte man sich vielleicht von Neimans Idealismus-Begeisterung anstecken lassen:

In other speeches, Mr. Obama has emphasized “the extraordinary nature of America,” where loyalty is less about particular places or tribes than particular ideas: above all the idea that we are not constrained by accidents of birth. We can make of our lives what we will. [...]

Mr. Obama’s speech gave Europeans a chance to hear the difference between optimism and idealism. Optimists refuse to acknowledge reality. Idealists remind us that it isn’t fixed.

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22 Juli 2008

Adelsherrschaft der obersten Gerichte

Eben dachte ich eben noch, wir hätten die Vergangenheit bewältigt und mit einem Sloterdijk-Stempel als erledigt gekennzeichnet ganz hinten ins Archiv überführt, da lese ich, daß es an einer Front noch einiges zu tun gibt. Bernd Rüthers sieht das Bundesverfassungsgericht und den Bundesgerichtshof in unguter Tradition, wie er in der Frankfurter Allgemeinen von heute zur Erinnerung an Philipp Heck schreibt:
Eine Pikanterie der neueren Rechtsgeschichte besteht darin, dass das Bundesverfassungsgericht und ihm folgend die obersten Bundesgerichte die für beliebige Gesetzesumdeutungen aller Art geeignete und in der NS-Zeit bewährte, angeblich "objektive" Auslegung als ihre maßgebliche Methode übernommen haben. Sie zitieren unbefangen Larenz, der 1960 ein neues Buch zur juristischen Methodenlehre schrieb. Die interpretative Perversion des Rechts zwischen 1933 und 1945 kommt darin nicht vor. Seit einigen Jahren wird eine neue, längst überfällige Methodendiskussion über die Auslegungspraxis der obersten Bundesgerichte geführt, die bisher dadurch gekennzeichnet ist, dass führende Persönlichkeiten der Justiz die problematische Vergangenheit der von ihnen praktizierten Methoden nicht kennen oder verdrängen. Es geht darum, ob die Bundesrepublik eine rechtsstaatliche Demokratie bleibt oder zu einem Richterstaat im Sinne einer Adelsherrschaft der obersten Gerichte mutiert.

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