24 Mai 2006

40 Jahre Pan Tau


Im Jahr 1966 wurden die ersten Folgen von Pan Tau produziert. In diesem Jahr feiert diese wunderbare Sendung um den wundersamen Mann mit Melone und Schirm im Stresemann also ihr vierzigstes Jubiläum. Bisher allerdings ist das ein trauriges Ereignis, denn die Sendung ist nicht in einer heutigen Ansprüchen genügenden Form erhältlich: Nur ein Teil ist überhaupt auf DVD zu bekommen, und der wiederum überteuert und ohne Extras.

23 Mai 2006

Die Sicherheit des Systems

Welche Sicherheit welches Systems? Die Sicherheit des Gemauschels zwischen Großkonzernen und Ministerien? Das Verkehrsministerium jedenfalls begründet die Nichtveröffentlichung seines Vertrages mit der Firma Toll Collect deutsch nicht Wahn-Sammlung, sondern Zoll-Sammlung einem Bericht von Stefan Tomik zufolge damit, daß das Bekanntwerden
„Toll Collect im Wettbewerb schaden und/oder die Sicherheit des Systems gefährden“
könnte. Eine neuere Presseerklärung zum Thema ist beim Verkehrsministerium nicht zu finden. Man braucht nicht aufwendig auszuführen, daß geheime Machenschaften einer liberalen Demokratie nicht anstehen; sie lassen sich höchstens im Bereich der Nachrichtendienste und des Verfassungsschutzes ertragen.

Damit bleibt die Frage, wie an den Inhalt des Geheimvertrages zu kommen sei. Ein Weg könnte der Weg des heuristischen Behauptens sein: Man behauptet beispielsweise, daß dieser Vertrag bereits die Planung für das Abkassieren auch der PKWs enthält, und wartet auf die Unterlassungsklage.

Stein und Eisen

Als Kafka war Jeremy Irons nicht sehr überzeugend. Für eine Verfilmung des (ohnehin bunteren) Lebens des Rudolf Steiner (hier das Umschlagbild von Christoph Lindenbergs Biographie) wäre er hingegen die Idealbesetzung. Es ist allerdings anzunehmen, daß sich Hollywood diesen physiognomischen Coup entgehen lassen wird, weil die Anthroposophen keine allzu prominente Rolle unter den Religionsbewegungen Amerikas spielen. Und das hat vielleicht ja auch wieder sein Gutes.

18 Mai 2006

Lumpenvolontoriat

Eine Absage an sich anbiedernde Fernsehmacher hat die Bahamas mit einer drolligen Tirade gegen das Milieu des Lumpenvolontariats verbunden, dessen weiterer Aufstieg vermutlich unaufhaltsam sein wird:
Die Redaktion Bahamas kooperiert nicht mit Leuten, die stolz darauf sind, in innovativen Berliner Stadtmagazinen ihre Gesellenjahre absolviert zu haben und die Süddeutsche Zeitung für Deutschlands beste Tageszeitung halten. Sie verachtet grundsätzlich ein akademisch gebildetes Geschlecht, das irgendetwas Kreatives mit Medien machen will und zwischen Berlin-Prenzlauer Berg, Hamburg-Eimsbüttel und München-Neuhausen sich jedenfalls darin einig ist, daß George W. Bush und Mahmoud Achmadinedschad zwei Seiten einer friedensbedrohenden Medaille seien; ein Geschlecht, das in den Mordbrennern aus den Pariser Banlieues die neuen Kolonisierten entdeckt und in der Berliner Volksbühne Theaterkunst auf der Höhe der Zeit, das mit innerster Anteilnahme für antisemitische Täter Paradise Now konsumiert und im Vorleser von Bernhard Schlink ein Meisterwerk entdeckt hat, das ebenbürtig neben den Büchern Primo Levis stehe.

15 Mai 2006

Kulturen und Länder

Auch im Austausch zwischen Kulturen kommt es auf die Rückmeldung an. Kwang-Kyu Kim, der gerade mit dem Friedrich-Gundolf-Preis für die Vermittlung deutscher Kultur im Ausland ausgezeichnet wurde, erklärte in seiner Dankesrede den grassierenden Bedeutungsverlust der deutschen Kultur in Korea und vielleicht auch andernorts mit deutschem Desinteresse an nicht nur seinem Land. Felicitas von Lovenberg berichtet am 15. Mai in der Frankfurter Allgemeinen:
In Korea, wo die deutsche Kultur über Jahrzehnte geradezu überschwenglich rezipiert wurde, habe das Interesse am Deutschen spürbar abgenommen. Den Grund dafür sieht Kim nicht nur in der koreanischen Bildungs- und Kulturpolitik, sondern vor allem darin, »daß die Rezeption auf einer Einbahnstraße beruht«: Die Deutschen interessierten sich nicht für Korea.
Aufmerksamkeit verlangt übrigens der Titel des Friedrich-Gundolf-Preises. Dadurch, daß es sich um eine Tätigkeit »im Ausland« handeln soll, wird das Adjektiv »deutsch« in der Wendung »deutsche Kultur« auf seine engere, allein auf Deutschland bezogene Bedeutung hin eingeschränkt. Das ist schade, weil die deutsche Kultur nun mal größer ist als Deutschland und der deutsche Staat nur einer ihrer Sachverwalter. Eine Formulierung, die dieses Spezifikum zum Ausdruck brächte wäre: »Vermittlung deutscher Kultur außerhalb der deutschen Länder«.

11 Mai 2006

Fifty-fifty

Nach einem besonders knappen Wahlausgang wie zuletzt in Italien oder einst beim Duell zwischen Gore und Bush jr. liegt es für die Unterlegenen und außenstehende Beobachter nahe, die Legitimierung der Gewählten in Zweifel zu ziehen. So beklagt Silvio Berlusconi, daß bei der Wahl der Präsidenten des Abgeordnetenhauses, des Senats und der Republik die Hälfte der Italiener übergangen worden sei. Auf den ersten Blick erscheint das nicht ungerechtfertigt. Aber ist ein Ergebnis, bei dem die eine Seite 51 und die andere 49 Prozent der Stimmen auf sich vereinigt, eigentlich so viel deutlicher? Offenbar nicht, und doch hat man sich daran gewöhnt, solche Ergebnisse für hinlänglich eindeutig zu halten. Noch erstaunlicher aber ist es, daß das Wahlvolk in den westlichen Demokratien mit einiger Regelmäßigkeit solche Ergebnisse liefert. Nur unter sehr ungewöhnlichen Voraussetzungen (Chirac vs. Le Pen) kommt es einmal zu einem Wahlausgang, der außerhalb der üblichen Schwankungsbreite liegt. Glücklicherweise ist (anders als es Berlusconis antikommunistische Rhetorik suggeriert) mit den knappen Ergebnissen eher selten eine echte Richtungsentscheidung verbunden.

In diesem Zusammenhang ist vielleicht noch bemerkenswert, daß es den Begriff Konvergenzdemokratie noch nicht zu geben scheint.

09 Mai 2006

Auf die Rückmeldung kommt es an

Stephen J. Dubner und Seven D. Levitt berichten in ihrer Kolumne Freakonomics in der New York Times vom 7. Mai über die Ergebnisse, die der Psychologe Anders Ericsson und seine Kollegen bei der Erforschung von Könnertum und Leistungsfähigkeit erzielt haben. Die Botschaft ist einfach: Übung macht den Meister nur braucht der Übende Rückmeldung über den Erfolg seines Tuns. Deshalb kann man ruhig zu alten Chirurgen gehen, sollte aber bei älteren Medizinern anderer Fachrichtung vorsichtig sein:
Ericsson has noted that most doctors actually perform worse the longer they are out of medical school. Surgeons, however, are an exception. That's because they are constantly exposed to two key elements of deliberate practice: immediate feedback and specific goal-setting.

The same is not true for, say, a mammographer. When a doctor reads a mammogram, she doesn't know for certain if there is breast cancer or not. She will be able to know only weeks later, from a biopsy, or years later, when no cancer develops. Without meaningful feedback, a doctor's ability actually deteriorates over time. Ericsson suggests a new mode of training. »Imagine a situation where a doctor could diagnose mammograms from old cases and immediately get feedback of the correct diagnosis for each case,« he says. »Working in such a learning environment, a doctor might see more different cancers in one day than in a couple of years of normal practice.«

05 Mai 2006

Sexualproportionale Schieflage, Testosteronüberschuß und Männerproletariat


Unter der Sexualproportion einer Bevölkerung versteht man das zahlenmäßige Verhältnis von Männern und Frauen in einer Bevölkerung. Kommen beispielsweise 95 Männer auf 100 Frauen, liegt eine Sexualproportion von 95 vor. In manchen Gebieten Ostdeutschlands allerdings herrscht, wie Jennifer Wilton am 19. Oktober 2005 in der Frankfurter Allgemeinen berichtet, eine Sexualproportion von etwa 128:

Nur knapp 78 junge Frauen kommen in der Gegend zwischen Erfurt und dem Thüringer Wald auf 100 Männer. Rein rechnerisch wird hier ein Viertel der Männer auf der Suche nach einer Partnerin leer ausgehen. Sehr viel besser sind die Zahlen auch in anderen ostdeutschen Regionen nicht; in einigen Dörfern ist das, was wissenschaftlich-nüchtern als »sexualproportionale Schieflage« beschrieben wird, noch eklatanter.

[...] es [sind] in erster Linie die jungen, gutqualifizierten Frauen [...], die ihrer Heimat den Rücken kehren – und nur in den seltensten Fällen zurückkommen. Das Fatale der Situation liegt auf der Hand: Mit den Frauen gehen die potentiellen Mütter. [...]

In Studien heißt es, die jungen Frauen in Ostdeutschland seien mobiler und besser ausgebildet als die Männer [...] Rainer Klingholz [...] vermutet: »Es ist eine Bildungsmigration«. Die Zahlen lassen auch das zu. Deutlich in der Überzahl sind junge Frauen deutschlandweit nur noch in Universitätsstädten wie Heidelberg, Freiburg oder Münster. In Großstädten wie Hamburg, Berlin oder München ist das Geschlechterverhältnis weitgehend ausgeglichen. [...]

»Es wird sich ein Männerproletariat herausbilden«, sagt Rainer Klingholz voraus. Die Männer, die zurückbleiben – das lasse sich heute bereits beobachten –, seien überproportional oft arbeitslos und schlecht ausgebildet, dem Alkohol ebensowenig abgeneigt wie radikalen Ideologien. [...] Besonders hoch, hieß es, sei der Anteil der Straftäter unter 21 Jahren. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, wohin der Testosteronüberschuß in Zukunft führen wird.