27 Februar 2007

Und von wem lassen Sie sich so versorgen?

Gewiß sollte die Aufschrift auf diesem Schuppen im schönen, aber entlegenen Lötschental gelegentlich aktualisiert werden. Die Botschaft ist aber auch im Februar 2007 noch verständlich:
Öl von Saddam – Gas von Putin – Holz vom Förster.

23 Februar 2007

Professor Hitler

Die Mißachtung für Formfragen, die in Deutschland weitaus verbreiteter ist, als es das Klischee erlaubt, und ohne welche beispielsweise die Rechtschreibreform niemals ihren pseudolegalen Anstrich erhalten hätte, diese Mißachtung also hat schon in früheren Zeiten Wirkung getan, und zwar Wirkung mit zusammengenommen gewaltigen Folgen. Der Deutschlandfunk hat für diesen Abend eine Sendung über eine Braunschweiger Provinzposse und ihre Folgen angekündigt: Wie Hitler 1932 Deutscher wurde.

15 Februar 2007

Auf dem anderen Blatt

Zehn Jahre lang, von 1933 bis 1943, hat die Frankfurter Zeitung das Schreiben zwischen den Zeilen gepflegt. Es gibt Gelegenheiten, da sich auch die F.A.Z. dieses Mittels bedienen muß. So schreibt Volker Zastrow über den aus Kanada verschleppten Ernst Zündel:
Der Mannheimer Prozeß gegen ihn, der vor allem deshalb stattfinden konnte, weil ein einziger deutscher Staatsanwalt mehr als ein Jahrzehnt lang Jagd auf Zündel gemacht hatte, verlief da ganz anders: zwar auch spektakulär, doch weithin ohne öffentliche Anteilnahme. Der Straftatbestand des Holocaust-Leugnens (der natürlich anders heißt) wurde erst 1994 eingeführt. Er macht es einem Überzeugungstäter unmöglich, entlastende Beweise anzuführen – da ja das Leugnen von Sachverhalten verboten wurde, muß mit verboten werden, darüber zu verhandeln, ob es welche sind. Sonst würde die Verhandlung selbst zur strafbaren Handlung. Eigentlich könnte man sich das aufwendige Verfahren also schenken, und eigentlich war das allen Verfahrensbeteiligten in Mannheim klar: ein kurzer Prozeß im Gewand eines langen. Ob das eines Rechtsstaats würdig ist, steht auf einem anderen Blatt.
Es sei hiermit verraten, was auf dem anderen Blatt steht: Nein.

12 Februar 2007

Doppeltes Wahlrecht

Der Politologe Robert Conquest verzichtet auf die Ausübung seines Wahlrechts:
"I'm a dual national who's a citizen of the U.S. and the U.K., so that voting in either place seems rather overdoing it."
Diese Zurückhaltung ist nobel, wenngleich offensichtlich übertrieben: Es würde ja ausreichen, freiwillig nur in einem Land zu wählen.

Es wird bemerkenswert selten thematisiert, daß mit der zunehmend freizügigen Austeilung doppelter Staatsbürgerschaften in Europa eine privilegierte Klasse entsteht, die über ein doppeltes Wahlrecht verfügt. Rainer Bauböck erkennt immerhin:
Die für politische Partizipation entscheidende Frage lautet, ob nicht ein doppeltes Wahlrecht in zwei Staaten Mehrfachbürgern ungerechte Vorteile verschafft und das Prinzip „eine Person – eine Stimme“ verletzt.
Er beeilt sich aber zu dekretieren:
Dieser Grundsatz verbietet jedoch nur die unterschiedliche Gewichtung von Stimmen in einem einzelnen Wahlvorgang. Wenn eine Migrantin sich sowohl an Parlamentswahlen in Österreich als auch in der Türkei beteiligen kann, so wird ihre Stimme in beiden Wahlen jeweils nur einmal gezählt und gleich gewichtet wie alle anderen.
Dagegen ist einzuwenden, daß politische Partizipation sich nicht darin erschöpft, an Wahlvorgängen teilzunehmen. Vielmehr geht es um die Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen insgesamt. Robert Conquest zum Beispiel könnte bei den Kongreßwahlen und Unterhauswahlen gleichermaßen für Kandidaten stimmen, die sich für einen schnellen Abzug der alliierten Truppen aus dem Irak aussprechen. Und österreichisch-türkische Migrantinnen, um Bauböcks politisch korrektes Beispiel aufzugreifen, können auf beiden Seiten für jene Kräfte stimmen, die den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union unterstützen.

11 Februar 2007

Das Ende der Tautropfen

In diesen Minuten spricht Michael Langer in den Zwischentönen des Deutschlandfunks mit Wilhelm Ripl. Dieser sieht die hauptsächliche Ursache des Klimawandels nicht in den großen Mengen an Kohlendioxid in der Atmosphäre. Vielmehr sei das vormals funktionierende Kühlungssystem der Kontinente, als dessen Symbol man die Tautropfen am Morgen ansehen könne, durch die Verstädterung zerstört worden.

Ein wissenschaftlicher Aufsatz von Wilhelm Ripl mit dem Titel »Water – the bloodstream of the biosphere« ist in den Akten der Königlichen Gesellschaft erschienen und zugänglich.

10 Februar 2007

Sie wissen nicht, was sie tun

Das Land Berlin hat im letzten Jahr ein Bild Ernst Ludwig Kirchners aus seinem Besitz ohne zwingenden Rechtsgrund an Nachfahren des ursprünglichen Eigentümers zurückgegeben. Das war ganz gewiß eine gut gemeinte Tat. Aber wußten die Täter, was sie da tun?
Eine Privatperson kann zwar mit einer Sache, wie es das Bürgerliche Gesetzbuch unbekümmert formuliert, im Rahmen der Rechtsordnung „nach Belieben verfahren“. Die Verwalter von Eigentum der öffentlichen Hand hingegen müssen die haushaltsrechtlichen Vorschriften beachten. [...]

Wenn die öffentliche Hand nicht muss, dann darf sie hier auch nicht. Das ergibt sich aus dem Zusammenspiel von abschließenden wiedergutmachungsrechtlichen Vorschriften, dem strengen Haushaltsrecht und dem Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes. [...]

Die im August in Berlin erfolgte Rückgabe des Kirchner-Bildes war rechtswidrig. Dieses Verdikt würde auch alle zukünftigen Restitutionen unter vergleichbaren Umständen treffen. Eine rechtlich einwandfreie Umsetzung erfordert ein Tätigwerden des Parlaments. Solange solches nicht geschieht, müssen die Akteure sogar mit Strafverfahren rechnen.
Zumindest nach Auffassung von Friedrich Kiechle, dessen hier zitierte Ausführungen in der Frankfurter Allgemeinen vom 7. Februar veröffentlicht worden sind, wußten die Restitutierer nicht, daß sie illegal verschenkten, oder haben sich darüber hinweggesetzt.

Fälle wie der des Kirchner-Bildes finden wegen ihres Gegenstandes große mediale Aufmerksamkeit. Was ist mit weniger öffentlichkeitswirksamen Taten unserer Politiker? Die kennen sich allem Anschein nach in dem Gesetzeswust, für den sie verantwortlich sind, so wenig aus, daß mit dem Schlimmsten zu rechnen ist.

08 Februar 2007

Ausweitung der Idealität

Der Körper herrsche, alles werde materieller, man vergöttere schöne Leiber, heißt es allenthalben. Aber etwas an dieser Diagnose ist ungenau, wenn man Michela Marzano folgt, da gerade dieser herrschende, vergötterte Körper immer weniger wirklich Körper ist und immer mehr von dem hat, das einst die Seele auszeichnete:
[...] il existe un véritable culte du corps, mais peu de gens se rendent compte que le corps dont on parle est un corps idéal. L'image du corps est proposée comme un aboutissement auquel chacun peut parvenir, alors que, comme idéal, il est inatteignable.
Die hier zitierten Stelle aus dem Interview mit Geneviève Simon in La libre Belgique von heute ist auch in deutscher Übersetzung zu lesen.

05 Februar 2007

Steigerungen, abnehmend

Man ist ans fortwährende Steigern gewöhnt; alles wird schneller, lauter, besser, leiser. Jetzt aber liest man von einem amerikanischen Senator in der Washington Post von heute, sein Wahlkampf um die Kandidatur sei keine weitere Steigerung des Show-Charakters von Wahlkampfveranstaltungen:
Obama gave a glimpse of how his campaign will look and feel on Friday, when he delivered somber remarks at the Democratic National Committee meeting that left the audience hushed at points. No one passed out "Obama" posters; the candidate took the stage without any music, unlike some other Democratic contenders who bounded to the dais to the blaring sounds of rock-and-roll oldies.