27 Dezember 2006

Nicht viel zu holen





















Man ist es ja als Kunde der Deutschen Bahn durchaus gewöhnt, daß Anschlußzüge verpaßt werden. Es ist aber um einiges härter zu ertragen, daß das ganze Land, zu dem oben genannte Bahn gehört, finster entschlossen zu sein scheint, den Anschluß zu verpassen.

Die Frankfurter Allgemeine berichtet beispielsweise in einer ihrer letzten Ausgaben in richtiger Rechtschreibung unter dem Titel »Der gelbe Riese pulverisiert die globale Hackordnung« über die Entwicklung der Forschung in China. Was zur Forschung in Deutschland zu sagen ist, wird durch nebenstehende Graphik verdeutlicht.

Nur kann eben ein ganzes Land nicht den Weg einschlagen, den der deutsche Tischtennisspieler Timo Boll nach einem Trainingsaufenthalt in China in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen vom 16. Dezember für seine zukünftigen Kinder ins Auge faßt:
In unserer Halle trainierten alle Altersklassen. Da waren die besten der Provinz zusammengezogen. Also, wenn ich mal Kinder habe, die werden kein Tischtennis spielen. Für sie gibt es nicht viel zu holen in den nächsten zehn, zwanzig Jahren, wenn ich sehe, was die chinesischen Kinder schon mit acht, neun Jahren draufhaben.

26 Dezember 2006

Europäische Vorurteile

Timothy Garton Ash warb kürzlich für eine Erhöhung der britischen Rundfunkgebühren. Seiner Ansicht nach ist das Programmangebot der BBC weltweit unerreicht und sein Geld wert. Damit hat er vermutlich recht. Bemerkenswert ist sein Kommentar jedoch nicht wegen dieser eher trivialen Beobachtung. Sein Lob des Vorurteils gibt zu denken:
If the BBC has a persistent bias, it's less political than, so to speak, attitudinal – a set of shared secular, liberal, urban, European values and prejudices so deep under the skin that many don't even notice they are there.
Aus Sicht eines für seine säkularen, liberalen und urbanen Anschauungen bekannten Kolumnisten sind »europäische Werte« also gleichbedeutend mit Vorurteilen, die zu hegen man sich nicht unbedingt bewußt zu machen brauche. Kann es wirklich sein, daß ihm der in dieser Auffassung liegende Selbstwiderspruch entgangen ist?

20 Dezember 2006

Vormundschaftliche Verachtung

Der Wochenzeitung Die Zeit dient die überlieferte deutsche Rechtchreibung, welche von der Frankfurter Allgemeinen planmäßig mit der ersten Ausgabe im Jahr 2007 im Stich gelassen werden wird, offensichtlich als Auszeichnungsmittel für besonders wichtige Texte in gutem Deutsch.

In diesem Sinne hat sie am 26. Oktober unter dem Titel »Deutschland verrät Israel« eine Vorlesung in richtiger Rechtschreibung abgedruckt, die Wolf Biermann in Israel gehalten hat. Greifen wir nur heraus, was Biermann über den gefühligen Umgang der Deutschen mit den armen Muslimen sagt:
Das romantische Verständnis der Deutschen für die Islamisten im Nahostkonflikt hat [...] Gründe. Sie halten Araber für affige Wilde, für unmündige Menschen dritter Klasse, an die man noch keine aufklärerisch-humanen Maßstäbe anlegen darf. Die Zuneigung der Deutschen ist eine Art von vormundschaftlicher Verachtung. [...]

Die Welt des Islam scheint heute gegen die Werte des Abendlandes zu stehen. Ich aber sehe in diesem Konflikt zweier angeblich nicht kompatibler Kulturen ein Scheinproblem. Für mich gehören auch die Millionen Moslems zur sogenannten Zivilisation. Es sind die Nachfahren einer altehrwürdigen geistigen Tradition. Geniale Baumeister, göttliche Handwerker, begnadete Dichter, weise Philosophen. Es sind die Nachgeborenen von Abrahams Sohn Ismael, die schon den Lauf der Sterne berechneten, als wir in den Wäldern Germaniens noch auf der Bärenhaut schnarchten.