23 Juli 2006

Als ob es noch Konservative gäbe

Die Geringschätzung für die deutschen Sprache hat in dem Land, in das seit 1871 einige der teutschen Länder zusammengefercht sind, Ausmaße erreicht, die ihre verbliebenen Liebhaber zu verzweifelten Attacken verleiten können. Die Logik der deutschen Schreibung wird straflos durch die Einmischung diverser Minister und Ministerialer in das Sprachgeschehen vulgo: »Rechtschreibreform« beschädigt. Offizielle Verlautbarungen diskriminieren durch ihre Webeenglisch »Brain up«, »Girls' day« Menschen ohne Englischkenntnisse. Usw.

In diesem Umfeld wurde vor einem Monat ein Leserbrief des Sprachwissenschaftlers Jürgen Trabant in der Frankfurter Allgemeinen veröffentlicht, in dem dieser sich mit Ausführungen von Patrick Bahners zum Ruin der Goethe-Institute befaßt. Die Politik versucht, die billigen kleinen Institute in Dänemark und anderwso, welche in die lokale Kulturszene gut eingebunden sind, totzumachen, um damit ganz viel Geld zu sparen. Aber nicht dieser Teil, sondern der über die Deutsch-Losigkeit der Arbeit der Goethe-Institute soll hier zitiert werden. Ich habe auf Reaktionen auf Trabants Argumente und seinen Provokationsversuch gewartet, vergeblich. Hier sein Text noch einmal:
Die Goethe-Institute haben jedenfalls dort, wo ich sie kennengelernt habe, in Italien, in Frankreich, in Amerika die Balance zwischen dem allgemeineren Ziel (»Verständigung«) und der nun einmal partikularen deutschen »Träger-Sprache« eigentlich ganz gut gehalten. Und vor allem: Sie haben durch diese Politik wirklich Freunde für unser Land und manchmal sogar für unsere Sprache (wieder-)gewonnen.

Und genau dies ist der Grund, weswegen die Institute nicht einfach geschlossen werden dürfen. [...] Es ist doch geradezu lächerlich anzunehmen, »die Aufgabe der Verständigung und der Zusammenarbeit« sei in Europa nun gelöst, das »Ziel« also sei erreicht und die Karawane könne weiterziehen. Wer jemals in England oder in Italien einen Fernseher eingeschaltet hat, aus dem sozusagen kontinuierlich direkt aus der deutschen Vergangenheit gesendet wird (»Jawoll, Herr Obersturmbannführer«!), kann das nicht im Ernst annehmen. Da müssen wir noch mindestens hundert Jahre lang schöne behutsame Goethe-Institutsarbeit in Europa leisten.

Natürlich soll man Goethe-Institute auch an weiter gelegenen Orten der Welt eröffnen, an denen Herr Obersturmbannführer nicht gewirkt hat. Die Begründung dafür allerdings ist von nicht zu überbietendem (sehr deutschem) Hochmut. Jetzt geht es anscheinend um eine universelle Friedensmission, die den Post-Nazi-Deutschen gleichsam menschheitsgeschichtlich aufgetragen ist. So arrogant ist nicht einmal die französische auswärtige Kulturpolitik. Dieses universelle »Ziel« bedarf natürlich des »Trägers« der deutschen Sprache nicht mehr, es wird universell, in der »Sprache« der Musik, also sprachlos, transportiert, in der Sprache der Engel, das heißt faktisch auf englisch.

Die weitere Frage, die Bahners' Artikel aufwirft, ist nun allerdings, warum das niemanden in der politischen Klasse aufregt. Bahners stellt fest, daß die schwarz-rote Koalition ebenso wie frühere schwarz-gelbe Koalitionen unverdrossen an der einmal eingeschlagenen auswärtigen Kulturpolitik festhält. Müßten nicht jeden anständigen Konservativen diese Fragen interessieren, bei denen es um die deutsche Kultur und Sprache geht? Kämpfen die von Bahners kritisierten »Linken« noch tapfer gegen das alte böse Deutsche in uns, so haben die Konservativen das Deutsche längst hinter sich beziehungsweise unter sich zurückgelassen. Die Eliten der Tatkraft, die Industrie und Banken, die Wissenschaftler und Techniker, wollen dagegen im globalen Spiel mitplayen. Und dabei stört die deutsche Sprache enorm. Deswegen sprechen sie ja schon seit langem in ihren Firmenzentralen englisch, deswegen bombardieren sie von ihren Werbeagenturen aus das ganze Volk immer aggressiver mit englischen Werbesprüchen, deswegen gründen sie Schools of Governance und Business Schools und International Universities zur Generierung anglophoner Jung-Eliten.

Was also soll die Förderung der deutschen Sprache im Ausland, wenn doch die Deutschen selbst diese nur noch als Vernakular-Sprache verwenden? Wozu sollen Chinesen, Inder oder Südamerikaner denn Deutsch lernen, wenn dieses dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Oettinger zufolge bloß noch eine »Familiensprache« ist? Es haben ja auch keine Ausländer je Bairisch oder Hessisch typische »Familiensprachen« gelernt. Die deutsche Sprache ist den Konservativen in unserem Land längst eine niedrige Lebensform, die von einer höheren, wichtigeren überholt worden ist. Und wenn nun diese ulkigen folkloristischen Goethe-Dinger in Kopenhagen und Palermo zugemacht werden und in die ganz große weite Welt verlegt werden, so kann das geschäftsmäßig ja nichts schaden. Wie da gesprochen werden soll? We couldn't care less.
Briefe an die Herausgeber Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.06.2006, Nr. 138, S. 19

15 Juli 2006

Professionelle Problemlöser scheitern

Heinrich Wefing, selbst Jurist, hat so treffend formuliert, daß er hier zitiert werden soll:
Die besten Juristen sind [...] weiblich. [...] Ausgerechnet aber dort, wo intellektuelle Brillanz vergöttert wird und Traumnoten hoch bezahlt werden, in den Kanzleien, die die Millionendeals begleiten, wird auf die Fähigkeiten der Juristinnen bislang verzichtet. Wie diese Institutionen, die sich als exquisite und strikt ergebnisorientierte Dienstleister verstehen, ihren Mandanten auf Dauer erklären wollen, daß sie ihnen die besten Juristen geradezu systematisch vorenthalten, ist schwer zu sagen.

[...] Erst im vertraulichen Gespräch räumen die Juristen ein, daß die Kanzleien sich extrem schwer tun, hochqualifizierte, engagierte Juristinnen, die gleichwohl nicht auf Kinder verzichten wollten, in ihre Arbeitsabläufe und in ihr Selbstverständnis zu integrieren. Für Leute, die sich als professionelle Problemlöser vermarkten, ein ziehmlich bitteres Eingeständnis.
Diese Männer scheitern also nicht an der Frau, sondern am Kinde, und sie scheitern, so möchte man sagen, professionell.

Frankfurter Allgemeine vom 12. Juli 2006