27 Juni 2008

Postmoderner Hindenburg

Shohe Alexander Seiler hat in einem kurzen Leserbrief an die Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen einen gar nicht liebenswürdig klingenden Vergleich für das höchste Staatsamt der Bundesrepublik Deutschland gefunden. Aus dem Abdruck vom 26. Juni 2008:
Ob dieser oder jener Bundespräsident sie sind überflüssig wie ein Kropf. [...] Was für ein (teures) Paradoxon, leistet sich doch unser ansonsten ziemlich traditionsverlassenes Land eine Art postmodernen Hindenburg mit der Optik eines engagierten Sparkassendirektors. Orden könnten auch diverse Beamte verleihen. Und die »Berliner Reden« sollten gleich jene verlesen, die sie auch verfasst haben.

26 Juni 2008

Bob, what do you know ...?

Vielleicht kann mich jemand heute, am Tag zur Unterstützung der Folteropfer, über den Wahrheitsgehalt folgender Äußerungen in dem Film Syriana aufklären, in dem George Clooney die Rolle des Bob Barnes spielt. Sie müssen frei erfunden sein, denn sonst würde ja niemand nach China reisen.
Mussawi: Bob, what do you know about the torture methods used by the Chinese on the Falun Gong? Huh? Method number one. What's your guess?
[pause]
Mussawi: Water dungeon. Did you guess water dungeon? Number two method? Number two, twisting arm and putting face in feces. Not interested in two? Number three. Number three is called 'pulling nails from fingers'. What do you think Bob? Number three sound good to you? The purpose is to get the monks or whatever to recant their beliefs. What if I had to get you to recant? That would be pretty difficult right? Because if you have no beliefs to recant then what? Then you're fucked is what. You're going to give me the names of every person who's taken money from you.
[rips off one of Bob's nails]
Mussawi: Oh that is dusgusting.

17 Juni 2008

Hochkultur

Begriffe wie der der Hochkultur passen schlecht in die heutige Zeit, da sie eine Wertung enthalten. Der hohen Kultur steht nun mal eine niedere gegenüber, wie auch immer verstanden. Dennoch ist dieser Begriff in doppelter Bedeutung immer wieder nützlich. Erstens gehört zur Hochkultur, was nicht Kultur aller, sondern privilegierter Schichten ist. Zweitens ist eine Hochkultur eine solche Kultur, in der die Menschen seßhaft geworden sind, in Städten leben und über Schrift verfügen.

Nun finde ich in der Besprechung der Maya-Ausstellung, die 2005/6 in Los Angelos zu sehen war, durch Rosemarie A. Joyce ein Referat von Überlegungen, mit deren Hilfe man zu der These verführt wird, eine Hochkultur (2) sei eine solche Kultur, in der Hochkultur (1) entstanden ist.
Using the terms first proposed for comparative analysis of ancient states by Baines and Yoffee, this exhibition is an extraordinary presentation of largely unknown masterworks from the high culture of an Early Classic Maya inner elite. It illuminates notions of cosmic order offered as bases for their legitimacy by that inner elite employing reserves of wealth to promote the production of these masterworks. It does not tell us much about the actual politics or ritual practices through which elites engaged the broader population, let alone how commoner men, women, and children contributed to the reproduction of society. Baines and Yoffee argue that most of the “high culture” that archaeologists and art historians study was probably directed toward other elites and unlikely to have been known to or to have influenced the lives of most people in ancient societies.

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15 Juni 2008

Das Ende der textimmanenten Interpretation

Sie fand ihr Ende am 17. Dezember 1966, die textimmanente Interpretation, und machte so den Weg frei für Neues. An diesem Tag ließ Emil Staiger erkennen, daß er das dem Text Äußerliche nur dann auszublenden bereit war, wenn es bestimmten politischen Auflagen genüge.

Staigers Dankesrede für den Zürcher Literaturpreis, durch die der Zürcher Literaturstreit ausgelöst wurde, ist nun als Tondokument wiederaufgetaucht und durch die Neue Zürcher Zeitung und das Schweizer Radio DRS zugänglich gemacht worden.

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10 Juni 2008

Du sollst nicht projizieren

Michael von Brück hat eine wunderschöne Einführung in den Buddhismus veröffentlicht, schön gesetzt, in überlieferter Rechtschreibung und altmodisch handlichem Format. In diesem Buch, dessen flüssig lesbarer Text angenehm von gelehrten Fußnoten umspült wird, heißt es auf Seite 170 zum Abschluß des Abschnitts über die Meditation zusammenfassend:
Es geht in der buddhistischen Meditation nicht um außergewöhnliche Trancen, sondern um eine gezielte Transformation des Bewußtseins, damit der Mensch zu einem Gewahrsein aller inneren und äußeren Erscheinungen gelangt, die in jedem Augenblick integriert werden, so daß in jeder Situation ein projektionsfreies Verhalten möglich wird.

04 Juni 2008

Oblique Abzweckung

In der Diskussion seines Vortrages »Säkularisation — Kritik einer Kategorie historischer Illegitimität« auf dem Siebten Deutschen Kongreß für Philosophie im Jahr 1962 zog Hans Blumenberg eine »Arbeitsmaxime« heran, die vom Autor des in dem Band Die Philosophie und die Frage nach dem Fortschritt mitabgedruckten Diskussionsberichts, Hermann Braun, wie folgt wiedergegeben wird:
Auf Löwiths Einwand, ob sich historische Thesen über das Verhältnis von Epochen zueinander überhaupt gültig beweisen ließen, erwiderte Blumenberg, daß er nicht eine neue Behauptung an die Stelle einer anderen setzen wolle, sondern nur negativ feststelle, daß das Säkularisierungsschema die erforderliche Beweislast nicht zu tragen vermöge. Als Arbeitsmaxime gelte für ihn: Reflexionen über das, was wir eigentlich tun müßten, verschaffen Klarheit über das, was wir selber tun.