10 April 2008

Tiefengeschichte

Geschichte fängt, wo Dokumente vorliegen, denen sich entnehmen läßt, was geschah. Daniel Lord Smail genügt das nicht. Er fragt in seinem Buch On Deep History and the Brain hinter die quellengestützte Geschichte zurück und will das, was er da findet, nicht als uneigentliche Vorgeschichte vor der richtigen Geschichte verstanden wissen, sondern als als »deep history«.

Der Schlüssel, mit dem sich Smail Zugang zu dieser Tiefengeschichte verschafft, ist, wie Alexander Star am 16. März in der New York Times schreibt, der Zusammenhang zwischen menschlichem Organismus und menschlichem Verhalten:
Taking Paleolithic man seriously, Smail argues, requires us to understand that history and biology always shape each other — there is no ascent from the tyranny of brute instinct to the freedoms of civilization.
In einem im Netz bei Powells erschienenen kurzen Aufsatz führt Smail eine »neurohistory« als Aspekt der Tiefengeschichte ein:
More than anything, the new science of neurobiology has provided manifold ways to write a long history centered on humanity's defining feature, the brain. [...] Obviously we cannot measure levels of dopamine in the synapses of dead people. What we can do is develop histories sensitive to the fact that a great many human practices and human institutions — liturgies, rituals, spectacles, foods, drugs, forms of torture and deprivation — have innumerable physiological consequences. This did not come about by accident. The human institutions [...] were also »designed« by the process of cultural selection to modulate or manipulate the brain-body chemistry of oneself or one's subjects or clients. This kind of insight can help us understand, say, the evolution of practices of sensory deprivation in monastic religions. What better way is there to inculcate an addiction to the prayers, liturgies, and ascetic practices that lighten the unpleasant sensation of dopamine deprivation?

01 April 2008

Kristallisationskern

Die Architektur des Tibet-Instituts in Rikon ist auffällig: modern, aber doch auch nicht nur modern. Den Namen des Architekten oder des Büros habe ich auf den offiziellen Seiten des Instituts nicht gefunden. In einem angenehm gelehrten Heft der Encyclopedia cinematographica, welches über den Film berichtet, den das IWF über die Gründungszeremonie 1967 gedreht hat, bin ich dann auf Seite 12 fündig geworden. Ein gewisser Uele (wohl: Ueli) Flück soll das Gebäude als »Kristallisationskern für tibetische und europaische Wissenschaft« geplant und wie folgt erläutert haben:
Diese Idee des Kristallisationskernes soll zum Ausdruck gebracht werden durch die stark im Gegensatz zur natürlichen Umgebung stehende kubische Gestaltung des Gebaudes. Im Erdgeschoß sind Kult- und Seminarraume der tibetischen wie der europaischen Gemeinschaft. Die zwei darüberliegenden Wohngeschosse gruppieren um je einen zentralen Aufenthaltsraum kleine Arbeits- und Schlafzellen fur die Gelehrten und Schuler. Diese drei Geschosse werden durch eine offene Wendeltreppe in einem massiven Treppenturm untereinander verbunden. Der Charakter der offenen Gemeinschaft soll dadurch zum Ausdruck gebracht werden. Auf dem Dach, etwas zurückgesetzt gegen den Kubus des Instituts, liegt ein Geschoß fur die Verwaltung.

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